"Grunge is dead, Baby."
Die Schnulze "Schlaflos in Seattle" mit Tom Hanks & Meg Ryan aus dem Jahre 1993 ist wohl der erste Film, den die meisten mit Seattle, der Hauptstadt Washingtons (Washington State, wohlgemerkt) in Verbindung bringen würden. Ich denke bei Film + Seattle jedoch in erster Linie an "Singles" ("Gemeinsam Einsam" lautete der etwas unglückliche deutsche Zweittitel), eine heiter-melancholische Beziehungskiste aus dem Jahr davor (1992), die das Single-Leben einiger Mittzwanziger in Seattle beleuchtet, und es vor allem durch die Filmmusik schaffte, den Zeitgeist der frühen 90er zu treffen. Das Zauberwort hiess damals Grunge, und Seattle war das pulsierende Herz dieser Bewegung. Begonnen hat alles mit Nirvana's "Smells like Teen Spirit", bekannt auch als das Video mit "dem Alten und dem Besen", indem die Grunge-Pioniere eine kleine, schäbige Turnhalle in ein Moshpit verwandeln. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich zu Schulzeiten bei meinem Kumpel Robert (er hatte im Gegensatz zu mir Kabelfernsehen) erstmals das Video auf MTV gesehen hab - es hat auch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen und musikalisch einige Weichen gestellt.
Die Welle des Grunge (auf Deutsch: Schmutz, Dreck - oder auf gut Wienerisch: Grind) schwappte sintflutartig auch nach Europa herüber, und veränderte praktisch über Nacht die (Rock-)Musikszene. Mit einem Schlag wurden sämtliche Heavy-Metal-Bands der 80er höchst "uncool" - Lack, Leder, Nieten & Dauerwellen waren plötzlich der Inbegriff von Peinlichkeit (heute werden sie nostalgisch und mit einem Hauch von Mitleid augenzwinkernd als Hair Metal Bands bezeichnet); zerfetzte Jeans, Doc Martens Boots & karierte Flanellhemden (Seattle = ehemalige Holzfällerstadt) waren das modische Gebot der Stunde, und die Musik war eine vorwiegend düstere, mit verzerrten Gitarren angereicherte Soundbrühe, über der die durch Mark & Bein gehenden Stimmen gepeinigter Existenzen wie Kurt Cobain (Nirvana), Layne Staley (Alice in Chains), Eddie Vedder (Pearl Jam), Scott Weiland (Stone Temple Pilots) oder Mark Lanegan (Screaming Trees) auf hohem Niveau jammerten. Mit einem Wort: es war eine tolle Zeit für das musikalische Erwachen eines pubertierenden Schülers. Hatte ich gegen Ende der Unterstufe noch Weichspüler-Kram wie Die Ärzte und EAV gehört und zu Beginn meiner HAK-Schulzeit sogar Fahrstuhlmusik von Wet Wet Wet in meinem CD-Player, machte ich nun eine völlige Neuorientierung durch. Das Indie-Plattenlabel SUB POP in Seattle nahm wöchentlich neue Grunge-Bands unter Vertrag, und im gleichen Ausmass wuchs auch meine CD-Sammlung. Der Alternativ-Radiosender KEXP Seattle sorgte in den USA für das nötige Airplay, in Europa war ein "kicks ass!" von den MTV-Möchtegern-Metalheads Beavis & Butthead im Headbanger's Ball das musikalische Gütesiegel.
Das Geschäft mit dem Dreck florierte, bis sich der Grunge-Hohepriester wider Willen, Kurt Cobain, am 5. April 1994 mit einer Schrotflinte das Hirn aus dem Schädel pustete. Layne Staley gab sich 8 Jahre später auf seiner Couch den goldenen Schuss (und wurde erst Tage später gefunden), Lanegan & Weiland kämpften ebenfalls jahrelang mit Drogen & Alkohol. Einzig Eddie Vedder schaffte es dauerhaft seine Dämonen im Zaum, und sein Schiff auf Kurs zu halten. Pearl Jam, die heuer Tage ihr 20-jähriges Band-Jubiläum feiern, und dafür von Cameron Crowe (nicht von ungefähr auch der Regisseur von "Singles"!) mit einem umfassenden Bandporträt bedacht wurden, welches demnächst in die Kinos kommt, gelten als die letzten Überlebenden des Grunge - obwohl sie sich mit diesem Schlagwort stets unwohl fühlten, und tatsächlich einen ganz anderen Sound hatten als die meisten Bands dieser Zeit. Aber die Musikpresse hat nun mal ihre Schubladen, und der musikalischen Zeitrechnung können sich auch Pearl Jam nicht ganz entziehen: wenn man sich heute "Singles" anschaut, und dabei Eddie Vedder, Stone Gossard & Jeff Ament in Gastrollen als Matt Dillon's Bandkollegen bewundern kann, wie sie in Flanellhemden in den Cafés von Seattle herumhängen oder sich bekifft eine Dokumentation über Bienen im Fernsehen anschauen, dann kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Die Welle des Grunge (auf Deutsch: Schmutz, Dreck - oder auf gut Wienerisch: Grind) schwappte sintflutartig auch nach Europa herüber, und veränderte praktisch über Nacht die (Rock-)Musikszene. Mit einem Schlag wurden sämtliche Heavy-Metal-Bands der 80er höchst "uncool" - Lack, Leder, Nieten & Dauerwellen waren plötzlich der Inbegriff von Peinlichkeit (heute werden sie nostalgisch und mit einem Hauch von Mitleid augenzwinkernd als Hair Metal Bands bezeichnet); zerfetzte Jeans, Doc Martens Boots & karierte Flanellhemden (Seattle = ehemalige Holzfällerstadt) waren das modische Gebot der Stunde, und die Musik war eine vorwiegend düstere, mit verzerrten Gitarren angereicherte Soundbrühe, über der die durch Mark & Bein gehenden Stimmen gepeinigter Existenzen wie Kurt Cobain (Nirvana), Layne Staley (Alice in Chains), Eddie Vedder (Pearl Jam), Scott Weiland (Stone Temple Pilots) oder Mark Lanegan (Screaming Trees) auf hohem Niveau jammerten. Mit einem Wort: es war eine tolle Zeit für das musikalische Erwachen eines pubertierenden Schülers. Hatte ich gegen Ende der Unterstufe noch Weichspüler-Kram wie Die Ärzte und EAV gehört und zu Beginn meiner HAK-Schulzeit sogar Fahrstuhlmusik von Wet Wet Wet in meinem CD-Player, machte ich nun eine völlige Neuorientierung durch. Das Indie-Plattenlabel SUB POP in Seattle nahm wöchentlich neue Grunge-Bands unter Vertrag, und im gleichen Ausmass wuchs auch meine CD-Sammlung. Der Alternativ-Radiosender KEXP Seattle sorgte in den USA für das nötige Airplay, in Europa war ein "kicks ass!" von den MTV-Möchtegern-Metalheads Beavis & Butthead im Headbanger's Ball das musikalische Gütesiegel.
Das Geschäft mit dem Dreck florierte, bis sich der Grunge-Hohepriester wider Willen, Kurt Cobain, am 5. April 1994 mit einer Schrotflinte das Hirn aus dem Schädel pustete. Layne Staley gab sich 8 Jahre später auf seiner Couch den goldenen Schuss (und wurde erst Tage später gefunden), Lanegan & Weiland kämpften ebenfalls jahrelang mit Drogen & Alkohol. Einzig Eddie Vedder schaffte es dauerhaft seine Dämonen im Zaum, und sein Schiff auf Kurs zu halten. Pearl Jam, die heuer Tage ihr 20-jähriges Band-Jubiläum feiern, und dafür von Cameron Crowe (nicht von ungefähr auch der Regisseur von "Singles"!) mit einem umfassenden Bandporträt bedacht wurden, welches demnächst in die Kinos kommt, gelten als die letzten Überlebenden des Grunge - obwohl sie sich mit diesem Schlagwort stets unwohl fühlten, und tatsächlich einen ganz anderen Sound hatten als die meisten Bands dieser Zeit. Aber die Musikpresse hat nun mal ihre Schubladen, und der musikalischen Zeitrechnung können sich auch Pearl Jam nicht ganz entziehen: wenn man sich heute "Singles" anschaut, und dabei Eddie Vedder, Stone Gossard & Jeff Ament in Gastrollen als Matt Dillon's Bandkollegen bewundern kann, wie sie in Flanellhemden in den Cafés von Seattle herumhängen oder sich bekifft eine Dokumentation über Bienen im Fernsehen anschauen, dann kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
v.l.n.r. Chris Cornell (Leadsänger von Soundgarden), Jeff Ament (Bassist von Pearl Jam), Matt Dillon (Hauptdarsteller in "Singles"), Layne Staley (Leadsänger von Alice in Chains, gestorben am 5.4.2002), Cameron Crowe (Regisseur von "Singles") während der Dreharbeiten zum Film
Ja, das war Grunge wie er im Musiklexikon steht, und als solcher ist er heute ebenso angestaubt wie die alten Hair-Metal-Bands. Das gilt vielleicht auch für den Sound, aber die Grunge-Bands aus Seattle haben der Musikgeschichte ebenso ihren Stempel aufgedrückt wie der Stadt liebster Sohn, Ex-Gitarrengenie Jimi Hendrix. Und daher war es für mich auch im Jahre 2011 noch sehr spannend, endlich einmal nach Seattle, zu den Wurzeln des Grunge - und den Wurzeln meiner eigenen Musikleidenschaft - zu kommen!
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