Meine Viennale 2014!


Eine unerwartete Lücke in meinem Uni-Stundenplan ermöglichte es mir für fast eine Woche nach Wien zu fahren und zum fünften Mal in Folge das Viennale Filmfestival zu besuchen, das seit 2010 einen Fixpunkt in meinem Herbst-Terminkalender einnimmt und welches ich nur ungern verpasst hätte. Jedes Jahr geniesse ich die Atmosphäre in den traditionsreichen Wiener Programmkinos welche die Viennale-Standorte bilden (diesmal das Gartenbau, Urania, Metro & Künstlerhaus) und das bunt gemischte Programm des dezidiert "internationalen" Filmfestivals. Das schönste an der Viennale ist, dass sie sich jeder nach seinen eigenen Vorstellungen zusammenzimmern kann.  Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude und das aufregendste ist für mich immer wieder das frisch gedruckte Programmheft in Händen zu halten und mir entsprechend persönlicher Präferenzen und zeitlicher Verfügbarkeit einen Viennale-Fahrplan zurechtzulegen. Meist strebe ich dabei eine ausgewogene Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilmen, leichter & schwerer Kost, Traditionellem & Experimentellem, Heimischem & Internationalem an; idealerweise versuche ich auch unterschiedliche Vorstellungszeiten (vormittags, nachmittags & abends) zu kombinieren sowie möglichst viele unterschiedliche Kinos miteinzubauen; und oft sind Viennale-Filme auch eine ideale Gelegenheit Freunde & Familie auf einen gemeinsamen Kinobesuch einzuladen und auch dieser Hintergedanke beeinflusst mitunter die Auswahl meiner Filme. Eine kleine Zusammenfassung bzw. Rückschau auf meine bisherigen 4 Viennale-Jahre findest Du hier.

Heuer lief dies etwas anders ab als in den letzten 4 Jahren – die erste Hälfte des Festivals verpasste ich noch in Innsbruck weilend, und kam dort auch an kein Programmheft - online fand ich es deutlich schwieriger bei der Fülle an angebotenen Filmen den Überblick zu behalten und meine Auswahl zu treffen. Andererseits blieb mir dadurch der Stress erspart,  nach Startschuss des Ticketvorverkaufs auf einer überlasteten Viennale Homepage zu versuchen schnell meine gewünschten Tickets zu ergattern. So suchte ich mir nach Beginn des Festivals ganz entspannt und je nach Verfügbarkeit ein paar Filme zusammen die mich interessierten und bestellte bequem per Mausklick.

Insgesamt brachte ich heuer 6 Filme an 7 Tagen unter - am Donnerstag kam ich in Wien an und eröffnete spätabends um 23 Uhr mit der Horrorkomödie „Burying the Ex“ von Ex-„Gremlins“-Macher Joe Dante den heurigen Viennale-Reigen. Meine Freundin Katrin steht ja auf Vampir- & Zombiegeschichten und dass wir vor 4 Jahren (ebenfalls zu später Stunde im Gartenbau Kino) bei einem ähnlichen B-Movie (Robert Rodriguez‘ „Machete“) unser erstes Date hatten, verlieh dem ganzen auch einen Hauch Romantik & Nostalgie. Das passte auch zum Film, in dem Anton Yelchin & Alexandra Daddario eine Leinwand-Romanze beginnen welche von Yelchin’s verstorbener Ex-Freundin in Zombiegestalt behindert wird. Der Film steckte voller kleiner Referenzen ans Horror-Kino vergangener Tage, bis auf ein paar gute Gags und das ansehliche Äussere von "Eye Candy" Daddario wird er mir aber als schwach in Erinnerung bleiben.


Am Samstag nachmittag folgte dann „Siddharth“, eine kleine, aus dem Leben gegriffene 
(„based on true events“), aber umso wirkungsvollere Geschichte eines kanadischen Regisseurs mit indischen Wurzeln, Richie Mehta. Es geht dabei um Mahendra, einen grundsympathischen Chain-Wallah (eine Art mobiler Reisverschlussreperateur) auf den Strassen Delhis, der seinen 12-jährigen Sohn Siddarth ins Punjab schickt um einen Job in einer „Trolley Factory“ anzunehmen und so das Familieneinkommen aufzubessern. Als Siddha zu Diwali nicht nach Hause kommt, beginnen sich seine Eltern Sorgen zu machen – insbesondere als sie Grund zur Annahme haben, dass Siddharth einer Entführung zum Opfer gefallen sein könnte. Dies treibt den Vater zu einer verzweifelten Suche, von den Warteräumen der indischen Bürokratie bis in die Strassen von Mumbai. Ein Film der sich auf sehr berührende und gleichzeitig unsentimentale Art und Weise dem Problem der Überbevölkerung, der Armut und des Menschenhandels in Indien annimmt und dabei durch realistische Bilder fernab von „Bollywood“ sowie hervorragende, unbekannte Darsteller glänzt – mein persönliches Viennale Highlight dieses Jahres! Besonders freute es mich, dass ich zu diesem Kinobesuch auch Tammy & Mario, meine Freunde & Arbeitgeber vom Bikram Yoga Schottenring gewinnen konnte, die von dem Film ebenfalls sehr angetan waren.



Am Sonntag vormittag folgte dann mein obligatorischer jährlicher „Musikfilm“ bei der Viennale – dieses Mal „20.000 Days on Earth“, eine Musikdoku von & mit der australischen Punkrock-Legende & „coolen Socke“ (O-Ton Viennale Programmheft) Nick Cave, mit meiner ebenso musikverrückten Schwester Astrid. Ich bin zwar kein bekennender Fan des australischen Barden, aber nach diesem gelungenen und unkonventionellen Film (der uns durch den zwanzigtausendsten Tag im Leben des Nick Cave begleitet) auf jeden Fall um einiges neugieriger auf sein Oeuvre geworden!



Montag abend begleitete ich dann meinen treuen Freund & Viennale-Mitstreiter Martin zu „Halbe Welt“, einem österreichischen Low-Budget Science-Fiction-Film aus den frühen 90ern der meine Erwartungen übertraf – bis vor kurzem wusste ich gar nicht dass dieses Genre in Österreich überhaupt jemals existiert hat... der Regisseur des Films, der aus Salzburg stammende Florian Flicker, ist erst vor einigen Wochen verstorben und war viele Jahre lang Mitglied im „Viennale-Gremium“, weshalb ein sichtlich betroffener Hans Hurch (seines Zeichens Viennale-Direktor) persönlich einleitende Worte zu dem Film an uns richtete. Der Film selbst – eine dystopische Zukunftsvision in der sich die Menschheit aufgrund der mittlerweile verheerenden Auswirkungen der Sonneneinstrahlung kaum mehr im Freien aufhalten darf und sich das Leben daher nachts abspielt - verdient zweifellos das Prädikat „Kultfilm“ und beeindruckte mich vor allem mit seiner Farbgebung & Kameraführung (insbesondere bei den Szenen im Freien) sowie dem unglaublich groovigen Psychedelic-Soundtrack!



Nach dem Film hieß es gleich „ab nach Hause“ und ein paar Stunden Schlaf tanken, denn um 5 Uhr läutete bereits der Wecker für den mittlerweile schon zur Tradition gewordenen „Viennale Frühstücksfilm“ um 6 Uhr 30 morgens, diesmal im gut gefüllten Wiener Gartenbaukino, in dem dieses Jahr 5 meiner 6 Filme liefen. Mit dem „Frühstücksfilm“ bin ich bisher immer gut gefahren, sowohl 2010 mit „Cyrus“ (mein zweites Date mit Katrin) als auch 2013 bei Francois Ozon‘s „Jeune & Jolie“ (einer der Vorteile des Frühstücksfilms ist, dass man dafür immer problemlos Karten bekommt, selbst wenn es sich um Filme von renommierten Regisseuren handelt). Diesmal stand „Frank“ am Programm, eine britisch-irisch-amerikanische Tragikomödie, in der ein unauffälliger junger Keyboarder in einer Psychedelic-Rockband namens SONOFABRTW Anschluss findet. Der unaussprechliche Name der Truppe ist ebenso schwer zu ergründen wie ihr Frontman („Frank“) welcher als Markenzeichen einen riesigen Fiberglas-Schädel über seinen Kopf stülpt um sein wahres Gesicht zu verbergen – und welchen er auch zu keinem Zeitpunkt, weder on- noch offstage, abnimmt. Trotz einiger bizarr-humorvoller Passagen und auch Schockmomente hatte ich zunehmends Mühe munterzubleiben um mitzuverfolgen wie die Band dank Social Media zu einem Underground-Phänomen gerät und es bis zu einem Auftritt beim SXSW-Festival in Texas bringt. Die Tatsache dass der Charakterdarsteller von Frank, Michael Fassbender, erst am Ende wirklich zu sehen ist, und die mir ohnehin bereits nicht unbedingt sympathische Maggie Gyllenhall alles andere als eine Sympathieträgerin spielt, machten die Sache auch nicht einfacher. Insgesamt kein schlechter Film, aber doch mein schalstes „Frühstücksfilm“-Erlebnis bisher.



Den Abschluss bildete dann am Mittwoch „Red Army“, eine Sport- bzw. Polit-Doku des Amerikaners Gabe Polsky, die sich mit der Sbornaja, der legendären Eishockey-Nationalmannschaft der UdSSR (sowie der Art und Weise wie sie von der Politik für Propaganda-Zwecke benutzt, um nicht zu sagen missbraucht, wurde) auseinandersetzt. Als Kind das selbst Eishockey gespielt hat, hab ich bei den Spielen der Sbornaja stets mitgefiebert, und sei es nur um die Russen verlieren zu sehen. Die Duelle mit Kanada waren damals so etwas wie „Gut“ gegen „Böse“ und die gefürchtete „KLM-Linie“ der Russen (bestehend aus den Stürmern Krutov, Larionov & Makharov) war mir richtiggehend verhasst. Umso interessanter war es nun hinter die Fassade blicken zu können und die Menschen hinter den Eishockey-Ikonen dieser legendären Linie (komplettiert wurde die „Russian 5“ durch das Verteidigerpaar Alexei Kasatonov & Vyacheslav „Slava“ Fetisov - letzterer bildet auch das Herzstück dieses Films)  etwas näher kennenzulernen; ausgerechnet Vladimir Krutov (Spitzname: The Russian Tank), jener bullige Flügelstürmer mit dem Boxergesicht den ich am allerwenigsten leiden konnte, hinterlässt im Film einen traurigen Eindruck und verstarb auch prompt wenige Wochen nach den Dreharbeiten infolge einer Leberzirrhose. Besonders gefreut hat es mich allerdings, dass ich mit diesem Film etwas passendes für meinen Vater im Viennale Programm entdeckt habe und wir den Film gemeinsam sehen konnten – unser Filmgeschmack überschneidet sich ansonsten nicht allzu häufig, aber ich wusste gleich: bei dieser Kombination von Eishockey, Politik & Zeitgeschichte würden wir beide zufriedengestellt, und so war es dann auch!



Ich bin schon gespannt auf die nächste Viennale – möglicherweise ein Grund das Auslandssemester im nächsten Herbst noch einmal gründlich zu überdenken! ;)

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