Welcome to Tijuana: Tequila, Sex & Root-Canals (Week 15)


Nachdem ich mich in San Francisco von Kati verabschiedet hatte, ging es noch am selben Abend mit Bus & Bahn nach San Diego, von Einheimischen ganz unverschämt als "the most liveable city" Amerikas beworben. Und ich kann es ihnen nicht verdenken - vor allem das Wetter ist ein Punkt, in dem ich San Diego San Francisco vermutlich vorziehen würde: die Luft ist etwas wärmer, das Wasser ebenso, und von Nebel im Sommer kann auch keine Rede sein! Dank meinem Gastgeber Marc Gray, den ich bereits im Jänner via Couchsurfing wegen einer Unterkunft kontaktiert hatte und der ein kleines Haus in Point Loma sein eigen nennt, wohnte ich auch an einer ziemlich netten Adresse. Point Loma liegt auf einer hakenförmigen Halbinsel, welche die Bucht von San Diego im Westen gegen den Pazifik abgrenzt - Marc's Haus lag nur etwa 50 Meter vom Wasser entfernt auf der Ostseite von Point Loma, man hatte also einen schönen Blick auf Coronado Island sowie Downtown San Diego:


Apropos Coronado: ein Grund weshalb San Diego auf meiner Reiseroute lag, war meine Ex-Schulkollegin aus HAK-Zeiten, Petra Coronado, die sich damals noch Petra Moskwyn nannte. Sie stammt ursprünglich aus dem Marchfeld, heiratete aber nach der Matura einen Amerikaner, der im Safari-Park Gänsendorf als Wasserspringer arbeitete, und übersiedelte nach San Diego! Da ich diese Wasserspringer in meiner Kindheit geradezu angehimmelt habe, fand ich diese Geschichte recht amüsant. Und Petra hatte ich seit ihrer Übersiedlung nicht mehr gesehen, ein Wiedersehen nach etwa 15 Jahren versprach also auch amüsant zu werden. Sie ist mittlerweile Krankenschwester in einer Klinik im noblen Stadtteil La Jolla (ich bin also nicht der einzige HAK-Absolvent der ins Gesundheitswesen gewechselt hat), und ihre Dienstzeiten sowie ihr Umzug in eine neue Wohnung liessen dann leider nicht mehr als ein Treffen zu - wir waren gemeinsam surfen in La Jolla Shores! (falls sich jemand bei dem Foto wundern sollte, wieso ich vorhin vom schönen Wetter geschrieben hab - das war der einzige bewölkte Tag in San Diego!)


Ein weiterer Grund weshalb ich nach San Diego wollte: es liegt direkt an der mexikanischen Grenze (die mexikanische Grenzstadt Tijuana kann man bequem mit dem San Diego Trolley erreichen) und dementsprechend wird in der Stadt auch viel Spanisch gesprochen. Ich hatte ursprünglich vor, einen ganzen Monat hierzubleiben, und mich für einen Spanisch-Sprachkurs angemeldet. Aus finanziellen Gründen (und weil ich derzeit noch mit dem Lernen der "Bikram Yoga Sprache" beschäftigt bin) hatte ich diese Pläne aber dann während des Trainings verworfen.

Während des Trainings hatte sich dann aber noch ein weiterer Grund ergeben nach San Diego zu fahren: ich bekam Zahnschmerzen, nachdem mir eine Füllung ausgebrochen war. Bereits vor meiner Abreise hatte ich Angst dass ich in den USA Probleme mit meinen Beißerchen bekommen könnte, und war kurz vorher nochmal zum Zahnarzt gegangen. Jener Zahnarzt verpasste mir die erste Füllung, und einen weiteren Termin, zu dem es jedoch nicht mehr kam, da er einen Skiunfall hatte und dadurch arbeitsunfähig wurde (ohne makaber klingen zu wollen: vielleicht war das mein Glück, denn seine Füllung war diejenige, die mir in Los Angeles ausgebrochen ist). Die restlichen 2 Füllungen hatte ich mir dann zwangsläufig bei einem anderen Zahnarzt in Wien machen lassen, und diesem schrieb ich dann in meiner Verzweiflung auch ein e-Mail aus Los Angeles. Ich erinnerte mich nämlich dass er nach meiner Behandlung gemeint hatte, dass ich im Falle von Problemen immer noch nach Mexiko gehen könnte - "die hätten günstige Kronen dort". Ursprünglich hatte ich das eher als Scherz aufgefasst, aber mir war schon klar dass Tijuana für die Amis ungefähr das ist, was für uns Sopron ist - also eine Grenzstadt, in der man billig einkaufen, essen & zum Zahnarzt gehen kann!

Nun steckte ich also in der befürchteten Zwickmühle - sollte ich die Zahnschmerzen anstehen lassen und hoffen dass es bis zu meiner Heimkehr im Oktober gutgehen würde, oder lieber auf Nummer Sicher gehen und mich hier behandeln lassen? Moment mal, hab ich eben gerade Nummer Sicher gesagt? Da eine Zahnbehandlung in den USA für mich ohne Krankenversicherung schlichtweg nicht leistbar war, kam eigentlich nur Mexiko in Frage, und die Drogenkriege in Mexiko haben aus den Grenzstädten teilweise Geisterstädte gemacht (mehr dazu in meiner nächsten Kolumne...) - mehrere Leute, darunter natürlich auch meine Mutter, hatten mir ausdrücklich davon abgeraten überhaupt nach Mexiko zu fahren, geschweige denn dort zum Zahnarzt zu gehen!

Mein Wiener Zahnarzt meinte dazu ganz nüchtern:

Sehr geehrter Herr Lackner,
laut Ihren Unterlagen wird Ihnen der Kollege in den USA sicher eine Wurzelbehandlung und Krone empfehlen.Die Preise für eine konservierende (= normale) Behandlung ist in den USA sind regional sehr verschieden. Laut meinen Internetrecherchen liegen die Kosten in den USA bei $2000 pro Zahn ( Wurzelbehandlung und Krone), in Mexiko so um die $800.
Ich hoffe Ihnen etwas geholfen zu haben und verabschiede mich nun in meinen Urlaub.
Unsere Praxis ist regulär ab 16. August wieder geöffnet.

Nachdem Marc ortskundig war, mir versicherte dass Tijuana im grossen und ganzen recht sicher wäre ("if you don't do anything stupid" - meine Antwort: "... like going to the dentist?!"), und sogar mit einer Zahnärztin dort befreundet war, beschloss ich zumindest für eine Konsultation hinzufahren, und liess ihn einen Termin in ihrer Klinik machen. Irgendwie hab ich ja doch einen Hang zu Abenteuern (siehe Algerien 2009) und gerne was zu erzählen wenn ich wieder daheim bin. Und somit kam ich zu meiner Wurzelbehandlung in Tijuana!


Wie ihr auf den beiden Fotos sehen könnt, bekam ich nicht nur ein weiches Nackenhörnchen unter den Kopf gelegt - in Mexiko sind sogar die Uniformen der Zahnarztassistentinnen bunt, und die Betäubung wird zum Glück auch nicht (mehr) mit Tequila vorgenommen... der Arzt setzte die Anästhesie so geschickt, dass ich nicht einmal den Einstich der Nadel spürte :-)


Für die 3-stündige(!) Behandlung musste ich letztlich 275 USD bezahlen, was umgerechnet nur etwa 200 EUR entspricht. Das war es mir die Schmerzfreiheit allemal wert. Eine Krone hätte ich für weitere 200$ haben können, also wäre die Behandlung noch deutlich günstiger ausgefallen als von meinem Zahnarzt geschätzt. Aber auf weitere 2 Termine hatte ich trotz Nackenhörnchen & bunter Uniformen dann doch keine Lust. Dafür hätte ich noch eine weitere Woche in San Diego anhängen müssen (mein Zahnfleisch war entzündet und man hätte mit dem Abdruck für die Krone einige Tage warten müssen), und das Überqueren der Grenze ist auch immer mit einigem Aufwand verbunden. Für die Krone werd ich also nach Ungarn fahren müssen, aber ich bin jedenfalls froh dass ich Tijuana gesehen habe - wäre der Zahn nicht gewesen, wäre ich vermutlich gar nicht hingefahren, und da wäre mir schon etwas entgangen... es ist doch gleich eine andere Welt sobald man die Grenze überschreitet:


Ein weiteres Highlight in San Diego war ein Besuch in Old Town, der Stadtteil auf dem San Diego ursprünglich gegründet wurde. Der alte Stadtkern wurde liebevoll in einen Historic State Park verwandelt, in dem man in die Geschichte von San Diego eintauchen kann. Neben einem kleinen, aber feinen Museum & zahlreichen restaurierten Gebäuden gibt es sogar kostümierte Schauspieler, die für Old Town Flair sorgen - ich kam zufällig in den Genuss einer Walking Tour, die ziemlich unterhaltsam und informativ war. Unter anderem erfuhr ich dabei, womit man sich früher in San Diego unterhalten hat - abgesehen von Tierkämpfen (man liess auf der örtlichen Plaza Stiere gegen Bären oder auch Löwen antreten!) wurde dort nämlich auch ein grausames Spiel namens Carrera del Gallo praktiziert (siehe Foto unten): bei diesem Spiel wurde ein Hahn in der Mitte der Plaza bis zum Hals im Boden eingegraben, und 2 Ranqueros (das waren besonders geübte Reiter) mussten dann aus gegenüberliegenden Ecken der Plaza auf den Hahn zupreschen und ihn mit einer geschickten Handbewegung aus dem Sand ziehen. Häufig endete das damit, dass dem Hahn aufgrund zu hoher Geschwindigkeit des Reiters der Kopf abgerissen wurde, denn bei zu langsamer Geschwindigkeit riskierte man eine Kollission mit dem entgegenkommenden Reiter...


Von solchen Spässchen war auf der Plaza zum Glück nichts mehr zu sehen, stattdessen befand sich dort mein Lieblingsrestaurant in San Diego: El Fandango, ein mexikanisches Restaurant bei dem ich im Verlauf der Woche insgesamt 3x eingekehrt bin. Das lag nicht nur am guten Essen, der mexikanischen Folklore-Musik, dem aufmerksamen Service, und der schattigen Terasse, sondern auch an den 2 Gläsern Champagner, die beim Frühstück gratis inkludiert waren! Überhaupt waren die Preise im El Fandango ungewöhnlich niedrig für ein Lokal dieser Klasse, was angeblich damit zu tun hatte dass es sich in einem State Park befand und somit vom Staat Förderungen bekommt. Naja, soll mir recht sein - auch wenn Kalifornien vor dem Bankrott steht, die 4 Gläser Champager werden sie wohl noch verkraftet haben...


Das Herzstück von New Town, dem jetzigen Downtown San Diego, ist das Gaslamp Quarter, die Fortgehmeile der Stadt, in der sich Restaurants, Bars & Cafés aneinanderreihen. Auch hier gibt es restaurierte alte Gebäude, Gaslamps sucht man allerdings vergebens. Dafür entdeckte ich zufällig die Bar CROCE, welche von der Witwe des 1973 bei einem Flugzeugabsturz verstorbenen Folksängers & -gitarristen Jim Croce eröffnet wurde. Zahlreiche Erinnerungsstücke an den Musiker zieren die Wände dieses als Jazz-Bar geführten Lokals, und ich konnte sogar eine Best of Jim Croce CD erstehen!

Was in San Diego natürlich nicht fehlen darf, ist ein Besuch bei SEAWORLD, und nachdem ich einen 20$ Ermässigunsgutschein dafür ergattert hatte, und schon die Universal Studios in L.A. ausgelassen hatte, beschloss ich mir diesen Luxus zu gönnen, und verbrachte am Mittwoch fast den ganzen Tag dort. Auch wenn SEAWORLD natürlich Kommerz pur ist, hat es doch unbestritten etwas Faszinierendes, dem tonnenschweren Killerwal SHAMU (er ist quasi das innofizielle Maskottchen San Diegos, obwohl bei den Shows mehrere Wale unter dem gleichen Namen auftreten...) bei seinen Kunststücken zuzusehen, und ich staunte nicht schlecht wie intelligent (oder gut konditioniert) diese Tiere sind. Ich saß im oberen Bereich der Splash Zone und war schon fast ein wenig enttäuscht weil ich 3/4 der Show lang nicht einen Tropfen Wasser abbekommen hatte, aber das alles änderte sich am Ende mit einem einzigen Flossenschlag von Shamu! Ebenfalls nass wurde ich bei Journey to Atlantis, einer Hochschaubahn "die sich gewaschen" hat... und obwohl ich bei Hochschaubahnen normalerweise ein bissl ein Hosenscheisser bin - im Vergleich zu meinen Vorderleuten war ich doch die Coolness in Person:


Weniger cool reagierte ich, als ich eines abends bei meiner Rückkehr nach Point Loma ein totes Tier am Strassenrand entdeckte. Von der Begegnung mit dem Raccoon in Monterey hab ich ja schon im vorigen Artikel erzählt, und anfangs dachte ich auch hier dass es sich um einen Waschbären handelt. Aber bei näherer Betrachtung traf mich erstens halb der Schlag aufgrund der fürchterlichen Grimasse des angefahrenen Tieres, und stellte sich zweitens heraus dass es sich um ein Virginia-Oppossum handelte... ich hoffe dass ihr nach Betrachtung des Fotos noch durchschlafen könnt!



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