Mile High! (Week 19)


Nach jeweils 4 kurzweiligen Stunden im Southwest Chief bzw. einem AMTRAK Verbindungsbus kam ich am Montagabend in der "Mile High City" Denver an - der Hauptstadt des Bundestaates Colorado, welchen ich ja bereits mit Dieter & Martin kurz für den Mesa Verde Nationalpark betreten habe. Es war offenkundig dass ich die karge Landschaft des Südwestens verlassen hatte, und zwar nicht nur was die Vegetation betrifft, sondern auch die Wirtschaft. Ein betrunkener New Yorker hatte mir ja bereits im Hotel Congress in Tucson erklärt, dass der Südwesten für Amerika ungefähr so ein Klotz am Bein wäre wie für uns Europäer die Portugiesen oder Griechen. Und auch wenn der Typ ein Idiot war, ganz unrecht hat er natürlich nicht - zwischen dem hektischen, aber lukrativen Berufsalltag an der Ostküste und dem Leben mit minimum wages (und maximum Margaritas) im Südwesten liegen natürlich Welten, und dementsprechend ist das Publikum natürlich ein ganz anderes. Mit dem Publikum verändert sich auch die kommerzielle Landschaft: mit 80% schlechtverdienenden Hispanics kann Starbucks eben nicht wirklich was anfangen, und dementsprechend hab ich in Tucson & El Paso auch vergeblich eine Filiale gesucht. In der 16th Street Mall in Denver wuchsen sie dagegen wieder wie Schwammerln aus dem Boden, und Corporate America war wieder allgegenwärtig: bereits aus dem Bus registrierte ich einen riesigen REI Store (mit integrierter Starbucks-Filiale) und schon von weitem leuchtete mir die eindrucksvolle Skyline und das gut besuchte Coors Field entgegen - jenes Baseballstadion wo ich am nächsten Tag Tickets für ein Spiel der heimischen Colorado Rockies hatte. Der Bus parkte direkt dahinter und während ich mein Gepäck am Gehsteig versammelte, feierten die Fans gerade einen Overtime-Homerun, der dem Team einen späten Sieg im 1. Spiel gegen Florida einbrachte.


Ich muss aber dazusagen dass Denver ein sehr gelungenes Beispiel von Corporate America ist - die Stadt ist äusserst gepflegt, bietet eine interessante Mischung aus alten & neuen Gebäuden, und besagte 16th Street Mall ist eine lange Fussgängerzone auf der nur (Gratis) Shuttlebusse verkehren dürfen und es ausserdem auch gratis public wifi gibt. Dazu kommen noch ein paar eher "unamerikanische" Highlights wie ein grosser, konzernunabhängiger Buchladen und zahlreiche gute Brauereien. Die bekannteste davon - Wyncoop - gehört sogar dem Bürgermeister. Ein weiteres Argument für Denver ist das tolle Wetter: ich hatte mir Denver aufgrund der bekannten Skigebiete in den umliegenden Rocky Mountains (Vail, Breckenridge) irgendwie kühler vorgestellt, aber die Stadt hat dieselbe Höhenlage wie Albuquerque und liegt am selben Breitengrad wie Südspanien. Die Winter in den Rockies sind schneereich, aber die Sommer sind warm und bieten viel Sonnenschein - beste Voraussetzungen also für sportliche Betätigung zu allen Jahreszeiten, und das ist den Menschen in Denver auch anzusehen. Die Stadt rühmt sich damit, die fitteste Bevölkerung der USA zu haben und tatsächlich machten die meisten Leute einen sehr sportlichen Eindruck.

So auch mein Couchsurfer Dave, der vor 3 Jahren aus dem Mittelwesten hierher gezogen ist und sich mit einer Haus- und Gartenbetreuung selbständig gemacht hat. Zuvor war er eineinhalb Jahre auf Weltreise, wobei es ihn auch für einige Tage nach Wien, Oberösterreich und in die Steiermark verschlagen hatte. Er war sehr angetan von Österreich und die Tatsache dass ich Österreicher bin, hat sicher dazu beigetragen dass er meine Couchsurfing-Anfrage (erst am Vorabend abgeschickt!) auch so kurzfristig akzeptiert hat. Ich bekam ein kleines Arbeitszimmer inkl. Bett in seinem schmucken Häuschen in Wheatridge zugewiesen.

Praktisch vorm Haus war eine Busstation, und so kam ich auch recht schnell und unkompliziert nach Downtown, wo ich gleich einmal die riesige REI Filiale aufsuchte. Der Store war deutlich grösser als jener in Tucson, und das Herzstück in der Mitte waren die imposanten "REI Pinnacles", eine Kunstwand zum Klettern die unter der Woche allerdings leider geschlossen ist. Ich war aber eh primär dort um mich nach einem Trinkwasser-System für mein nächstes Trekkingabenteuer im Olympic National Park umzusehen. Einerseits brauche ich einen Wasserfilter zur Trinkwasseraufbereitung und auch eine Trinkblase wäre sinnvoll, um mir das ständige Abnehmen des Rucksackes während Trinkpausen zu ersparen. Und ich glaube mit dem GravityWorks von Platypus habe ich auch das ideale Teil gefunden, da es nämlich beide Funktionen in sich vereint. Es ist mit 110 $ nicht der billigste Wasserfilter, aber es erspart einem das lästige Pumpen, hat eine hohe Filtrationsgeschwindigkeit (4 Liter in etwa 2 1/2 Minuten) und ist aufgrund des Mangels an mechanischen Elementen auch am wenigsten störungsanfällig. Es ist leicht und nicht sperrig, besteht quasi nur aus 2 Plastikbeuteln und dem dazwischengeschaltenen Filter. Die Beutel hängt man an 2 unterschiedlich hohen Ästen auf, und dann - ähnlich einer Infusion - erledigt die Schwerkraft den Rest (gravity works)! Ich werd noch ein paar Experten dazu befragen, mir das Teil aber aller Wahrscheinlichkeit nach beim nächsten REI Besuch zulegen. Die Filiale in Seattle soll ja angeblich auch eine riesige Kletterwand haben, und diesmal werde ich schauen dass ich dort bin wenn sie geöffnet hat...

Im riesigen Tattered Cover Bookstore in Denver hab ich annähernd 2 halbe Tage verbracht, jeweils gut 2-3 Stunden am Dienstagnachmittag bzw am Mittwochvormittag, nachdem sich herausstellte dass mein Zug 8(!) Stunden Verspätungen haben würde. Ich hab mir auch 3 Bücher gekauft, u.a. die Romanvorlage zu Moneyball, dessen Verfilmung (mit Brad Pitt in der Hauptrolle) Ende September in die Kinos kommt. Bin schon sehr gespannt und noch am Überlegen ob ich mir zuerst den Film ansehen oder das Buch durchlesen soll...? Es scheint jedenfalls der beste Baseball-Film seit langem zu sein - und angeblich ist er auch für Baseball-Laien sehr interessant!

Apropos Baseball: Dave, der in seiner Jugendzeit in Missouri selbst Baseball gespielt hat, begleitete mich dann auch zum 2. Spiel der Colorado Rockies gegen die Florida Marlins im Coors Field. Die Marlins revanchierten sich für die Niederlage vom Vortag und gewannen, obwohl die Rockies im letzten Inning noch einmal von 3-6 auf 5-6 herankamen! Coors Field gilt ja als ein Hitter's Park - aufgrund der dünneren Luft in der Mile High City fliegen Bälle dort besonders weit, und ein Ball der anderswo als Flyout im Handschuh des Outfielders endet, kann hier oft als Homerun über den Zaun gehen.

Die Rockies wissen mit dieser Besonderheit ihres Ballparks offenbar umzugehen, und erzielten gleich 3 Homeruns, aber selbst die reichten am Ende nicht, um als Sieger vom Platz zu gehen. Im Anschluss ans Spiel scherzten wir mit einer Platzanweiserin herum (Dave stellte mich mit den Worten "this guy is from Austria, but he knows more about baseball than i do!" vor), aber das lenkte sie nur kurz von ihrem Elend ab, sie meinte deprimiert: "Our team stinks this year". Nach einem passablen Saisonstart sind die Rockies, Champion des Jahres 2007, zuletzt stark abgerutscht und liegen nun schon ziemlich aussichtlos 12 Spiele hinter dem Spitzenduo San Francisco / Arizona an vorletzter Stelle der National League West Division. Nur die San Diego Padres mit 14 Spielen Rückstand liegen noch hinter ihnen - und dass ich selbst eine Kappe dieses, noch schlechteren Teams trug konnte die kleine Misty dann doch ein wenig aufheitern...




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