"Red or Green?"


Der Bundesstaat New Mexico war der letzte Programmpunkt meiner Reise durch den Südwesten, und mit den meisten Ungewissheiten verbunden. Ich hatte weder genaue Vorstellungen davon was ich in den knapp 3 Tagen dort machen würde, noch wo ich schlafen sollte - speziell nachdem meine angepeilte Couchsurferin Elizabeth Kimball plötzlich nicht mehr erreichbar war, weder per email noch per Telefon (2 Tage später fand ich heraus dass sie sich in Kansas, im Mittelwesten der USA befand - bei so kreativen "Freigeist"-Profilen wie dem ihren werde ich in Zukunft also vorsichtig sein)! So erkundete ich erst einmal die Central Avenue in Albuquerque, auf der Suche nach einem Internet-Café um evtl. noch ein paar Last-Minute-Requests auszuschicken.


Und tatsächlich hatte ich Glück, und eine meiner 5 Anfragen fiel auf fruchtbaren Boden - Bernice McCormack hatte Verständnis für meine Situation, und bot mir spontan Unterkunft in ihrem Haus an, nur etwa 2 Meilen entfernt im Universitätsviertel. Ich beschloss mir ein Taxi zu nehmen, und ein hilfsbereiter schwuler Rechtsanwalt half mir mein Gepäck zu einem Taxistand zu schleppen. Er fragte mich welches von den 3 anwesenden Taxis ich nehmen wollte, und ich erklärte ihm dass das keiner grossen Entscheidung bedürfe, da man in Österreich in der Regel stets das vorderste Taxi nimmt. Vielleicht hätte ich meine Entscheidung aber doch ein wenig überdenken sollen, denn dieser Taxifahrer war wohl die unerfreulichste Begegnung in knapp 4 Monaten in den USA. Sein unappetitliches Äusseres (blass & fett) war mir noch relativ egal, und auch seinen eher plumpen Versuch Konversation zu machen interpretierte ich noch als Freundlichkeit. In der Stanford Avenue angekommen, registrierte ich den Taxometerstand (9,30 $) und fragte, während ich mein Gepäck aus dem Kofferraum hob, beiläufig: "So, it's 10 Dollars, right?" Daraufhin bekam ich in väterlich mahnendem Tonfall "That's not very nice, young man... you know that you're supposed to tip taxi drivers in America, right?" zur Antwort. Wenn jemand ausdrücklich Trinkgeld verlangt, regt mich das sowieso schon mal prinzipiell auf, aber aus irgendeinem Grund meinte ich der Typ hätte sich vielleicht wirklich 11 Dollar verdient und hielt ihm meinen 20-Dollar-Schein hin. Er kramte unbeholfen zwischen ein paar Münzen rum und behauptete er hätte kein Wechselgeld, was ich ihm dummerweise auch noch abgekauft habe (Kreditkarten akzeptiere er natürlich ebenfalls keine). Nachdem ich leider ausschliesslich 20-Dollar-Scheine bei mir hatte und wir so auf keinen grünen Zweig kamen, bot er schliesslich an bei der MacDonalds Filiale, wo wir kurz zuvor vorbeigefahren waren, Wechselgeld zu besorgen. Nach kurzem Zögern willigte ich ein - und nachdem ich etwa 20 Minuten mit meiner Couchsurferin vor dem Haus auf ihn wartete ("maybe there's a long line at the Drive-In, i'm sure that guy's not getting out of his car...") wurde uns beiden klar dass er nicht zurückkommen würde und sich offensichtlich das für ihn angemessene Trinkeld von 10.70 $ in Eigenregie geholt hatte. Ich habe meine Lektion daraus gelernt (man könnte natürlich zu Recht argumentieren dass ich sie längst gelernt haben sollte - es gibt schliesslich genügend blöde Taxler in Wien) aber ich muss sagen dass mich das den ganzen restlichen Abend gewurmt hat.
Seit Tagen hatte ich jeden Cent zweimal umgedreht, nachdem in Tucson meine VISA Gold Card verloren gegangen war und mein Bankkonto bereits bis aufs Äusserste strapaziert ist. Ich war mit gerade einmal 100$ Bargeld nach Albuquerque gekommen - nach dem Abendessen und der kurzen, aber teuren Taxifahrt waren es plötzlich nur noch 70. Naja, soll sich der Taxler eben für meine 20 Dollar noch ein paar Big Macs kaufen, allzuviele werden es bei dem eh nicht mehr werden...

Mit dem Aufenthalt bei Bernice wendete sich zum Glück das Blatt und die Dinge nahmen einen sehr viel erfreulicheren Lauf. Ich hatte an New Mexico keine grossen Erwartungen gehabt - und das sind bekanntlich die besten Voraussetzungen um positiv überrascht zu werden. Albuquerque liegt an der legendären Route 66 und bietet als Heimat der UNM (University of New Mexico) ein recht lebhaftes Nachtleben und gute Musikclubs (das überraschte mich weniger, schliesslich stammen The Shins aus dieser Stadt!). Und ich hatte mit der gemütlichen Couch im Wohnzimmer von Bernice nun auch ein nettes Quartier gefunden! Ausserdem fand die Serie meiner hundeverrückten Couchsurfer eine Fortsetzung, denn Bernice war bzw. ist Besitzerin von Lola, einem Retriever-Mischling aus dem Tierheim, die wohl eine der gutmütigsten und treuesten Hunde ist, die ich je getroffen habe.


Nachtleben hin oder her, allzu grosse Sprünge konnte ich mir aufgrund meiner finanziellen Situation in Albuquerque nicht leisten, und daher bot ich Bernice an, gemeinsam "Cyrus" anzusehen, den ich im Vorjahr bei der Viennale gesehen hatte, und den ich mir in El Paso auf DVD zugelegt hatte. Und die 5$ Eintritt ins Rattlesnake Museum in Old Town am Samstag hab ich mir dann auch geleistet. Schliesslich galt es die Frage zu beantworten welche Klapperschlange ich denn nun in der Vorwoche im Saguaro Nationalpark gesehen hatte. Ich war mir sicher dass es eine Diamant-Klapperschlange gewesen sein musste, aber die wirklich grossen Exemplare sind eigentlich nur im Südosten der USA verbreitet. In dem kleinen Museum, welches die grösste Kollektion an Klapperschlangen weltweit beheimatet, fand ich dann aber heraus, dass die Western Diamondback zwar etwas kleiner ist, aber in einigen Fällen immer noch bis 7 Fuss erreich kann. Damit war meine Frage beantwortet, und diesmal traute ich mich auch ein wenig näher heran:


Am Vormittag war ich ausserdem mit Bernice auf einem örtlichen Farmer's Market, wo ich einen Breakfast Burrito verzehrte und dabei auch gleich die offizielle State Question beantworten musste; während man in Österreich bei der Frage "Rot oder Grün?" automatisch an politische Parteien denkt, gilt diese Frage im Land of Enchantment ausschliesslich den Chilischoten... und ich habe sie an jenem Morgen für mich mit "rot" beantwortet:


Während ich den ultimaten Sattmacher New Mexico's verzehrte, beobachtete ich das rege Treiben um mich herum: im Gras sitzende Hippies mit Gitarren, Studenten die Unterschriften für eine Petition gegen Child Obesity sammelten, hispanische Mütter auf der Suche nach frischen Chilis fürs Mittagessen. Bei den Ständen gab es ausserdem selbstgemachtes Granola, organisches Pesto oder auch vegetarische Hundekuchen zu kaufen (ich kaufte 3 Stück für Lola und es schien sie nicht zu stören dass sie fleischfrei waren). Der schrägste Vogel war aber ein gewisser Lloyd Kreitzer, auch bekannt als "the Fig-Man of New Mexico", der sowohl Feigenbäume als auch Massagen anbot...


Die meisten Händler verkauften aber lokal angebautes Gemüse, vor allem Squash (hat nichts mit dem Sport zu tun, ist eine Art von Zucchini), allerlei verschiedenfarbige Tomaten, und natürlich die allgegenwärtigen Chilis. Jetzt müsst ihr nur noch für Euch die Frage beantworten: "Rot oder Grün?"

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